Erkenntnistheoretische Betrachtung: Was macht das Leben aus? – untersucht von Sigo Rüdiger Schömel
Um die philosophische Existenzfrage - Was ist ein gutes Leben? - eingehend bearbeiten zu können, muss vorab eine genügende Auskunft auf die Problematiken gefunden sein: Was ist das Leben überhaupt? Welche natur- und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse klassifizieren und umschreiben das menschliche Leben? Welche gewichtigen ontologischen Fragen zum menschlichen Dasein bleiben bislang unbeantwortet? Welche ethische Basis umschreibt einen Sollzustand einer ganzheitlichen, gewaltfreien Existenz?
Die drei mentalen Gifte, Trivisa, – Begierde, Feindschaft und Unwissen –
verursachen nach der Lehrmeinung des Buddhismus lebenslang existenzielle
Konflikte im menschlichen Subjekt. Die drei seelischen Übel beeinflussen,
bedingen oder verstärken sich gegenseitig, beispielsweise die Ignoranz, das
fehlende Wissen, formt das unheilvolle Fundament für unberechtigte Vorurteile
gegenüber Individuen, die bescheiden andere Meinungen vertreten, bewirkt
hierdurch den Hass und die Intoleranz wider Andersdenkenden. Ein weiteres
Vorzeigebeispiel: Die Quelle für die stetige Gier, das Haben-wollen nach
Arthur Schopenhauer, in letzter Konsequenz entspringt der Egoismus nach der
buddhistischen Ansicht der fehlenden Erkenntnis von Anatman, (siehe
auch Ostasiatische Philosophie - Buddhismus - Trilaksana: die Merkmale der
menschlichen Existenz), dass alle bedingten Strebungen, so auch das Ich, nicht permanent sein
können.
Die lindernden Heilmittel zu Trivisa – Habgier, Missgunst und Unwissenheit –
formen die vier Brahma-Zuständen, Brahmavihara. (siehe auch
Zunehmende Diskrepanz zwischen Wissenschaft und Religion in der westlichen
Weltanschauung?) Äquivalent Brahmavihara wirkt Trivisa nach der buddhistischen Lehre
rückbezüglich. Liebenswürdigkeit, Anteilnahme, Neidlosigkeit und
Bedachtsamkeit bieten dem Ausübenden einen mentalen Gewinn, entsprechend
entfacht das egoistische Verlangen von Triebhaftigkeit, Feindseligkeit und
Engstirnigkeit maßgeblich das persönliche Leiden, Duhkha, gestaltet den
Auslöser von Samsara.
Was heißt Wahrheit? Wahrheit ist die Bewertung einer Aussage, dass der Inhalt
der Aussage mit der objektiven Realität übereinstimmt, dass die Proposition
eine Faktizität spezifiziert.
Zwei grundverschiedene Methoden – die Deduktion und die Induktion – gestalten
die intellektuellen Denkmuster zur wissenschaftlichen Wahrheitsfindung. Die
Deduktion setzt auf ein existierendes Axiomensystem oder eine Theorie auf.
Beispielsweise formen die fünf Postulate und sechs Axiome des Euklids eine
theoretische Basis zur gleichnamigen Geometrie aufgrund dessen Behauptungen
wie der Satz des Pythagoras oder der Satz des Thales unter Zuhilfenahme der
Logik (Aussagenlogik) bewiesen werden können. Die Beweise garantieren wahre
Behauptungen, die Theoreme, sie repräsentieren ortsunabhängige und
zeitunabhängige, mithin universale Erkenntnisse, die jeder mathematisch
Interessierte unabhängig von Ort und Zeit nachvollziehen kann. Derartige
Wahrheiten bezeichnen wir seit der Namensfindung durch Gottfried Wilhelm
Leibniz: Vernunftwahrheit.
Demgegenüber beginnt der Induktionsprozess für den Wissenschaftler,
insbesondere den Naturwissenschaftler, mit der gezielten Anhäufung von
Beobachtungs- oder Messdaten, welcher er einer sorgfältigen Datenanalyse
unterziehen muss, die objektiv oder vorurteilsfrei erfolgen sollte. Bereits
daselbst entfaltet sich der erste ernsthafte Konflikt, denn eine vollkommen
vorurteilsfreie Herangehensweise verhindert die Bildung einer Hypothese, nach
der Sichtung des Datenmaterials eine Vermutung zu erwägen, von beobachteten
Einzelereignissen auf eine allgemeine Gesetzmäßigkeit zu induzieren. Das
Prinzip, das bei der Auswertung der Daten zur Inanspruchnahme gelangt: das
Prinzip der Kausalität. Der Analyst qualifiziert die Ereignisse nach Ursachen
und Wirkung, versucht Ursachen mit Wirkungen eindeutig zu verknüpfen. Ist auch
diese anspruchsvolle Hürde bewältigt, verbleibt das prinzipielle Problem der
Induktion.
Mittels der Methode der Induktion extrapoliert der Forscher aus unumstrittenen
Begebenheiten in der Vergangenheit, Messdaten, und prognostiziert Erwartungen,
die Hypothese, in die Zukunft. Welche Rechtfertigung besitzt er dafür?
Die Naturphänomene ändern sich keinesfalls sprunghaft, lautet die klassische
Entgegnung. Offenbart das Experiment oder die Observation unzweifelhaft einen
kausalen Zusammenhang in der Vergangenheit, so setzt sich diese Verbindung in
der Zukunft fort. Welche Rechtfertigung markiert die Stetigkeit der Natur?
Dass die Naturerscheinungen stetig verlaufen, kann der Naturwissenschaftler
ausschließlich aus der Analyse der Vergangenheit gewinnen, darauffolgend
verweilt alleinig die Möglichkeit die Erhaltung in der Zukunft durch
Extrapolation zu vermuten, also letztlich ebenfalls durch Induktion.
Zusammengefasst zeigt sich das Problem der Induktion folgendermaßen:
Zuallererst erschließt ein Wissenschaftler eine neuartige Hypothese vermöge
Induktion. Sollte er diese zweitens vermittels der Stetigkeit der natürlichen
Begebenheiten bekräftigen wollen, so wählt eine Verteidigung, die drittens
automatisch die Beständigkeit gleichermaßen durch Induktion begründet, er
unterliegt einem Zirkelschluss.[1]
In der westlichen Hemisphäre beherrscht die Subjekte eine dualistische oder
kartesische Betrachtungsweise des Daseins: Logik, Mathematik und die
empirischen Disziplinen von den Naturwissenschaften bis zu den
Sozialwissenschaften, auf der einen Seite, bestimmen die objektive
Wirklichkeit, andererseits konstituieren Religionen, ersatzweise ideologischer
Dogmatismus den Sollzustand menschlichen Zusammenlebens, einer subjektiven
Wirklichkeit oder Ethik. Die objektive Urteilskraft, die Vernunft, entscheidet
über eine richtige oder falsche Bewertung einer Erkenntnis, die subjektive
demgegenüber kategorisiert in gut oder böse. Diese strenge Zweiteilung des
Daseins in eine objektive und subjektive Wahrheit offenbart insbesondere durch
den technologischen Fortschritt einen zunehmenden Konflikt zwischen den beiden
Ansprüchen auf Wahrheit. Demgemäß prognostizierte der Physiker W. Pauli in
einer Diskussion mit seinen beiden Kollegen, P. Dirac und W. Heisenberg,
bereits im Jahr 1927: „[…] Gleichnisse und Bilder der bisherigen Religion auch
für das einfache Volk keine Überzeugungskraft mehr besitzen, dann wird, so
fürchte ich, auch die bisherige Ethik in kürzester Frist zusammenbrechen, und
es werden Dinge geschehen von einer Schrecklichkeit, von der wir uns jetzt
noch gar keine Vorstellung machen können.“[1]
Das ostasiatische Weltverständnis kennt derlei strikte Trennung in
Objektivität und Subjektivität mitnichten. So schreibt der Philosoph und
Kulturwissenschaftler V. Zotz über den Erlösungsweg im Buddhismus: „Nicht
Glaube oder Hoffnung entscheiden auf dem Weg zur Erlösung, sondern allein das
richtige Vorgehen.[…] Ebenso führen die geeigneten Methoden zur Erlösung,
wobei der Glaube daran untergeordnete Bedeutung hat.“[2]
Die Korrektheit der Methode beweist die Praxis der Kontemplation, die
Meditation, insofern repräsentiert Buddha Siddhartha Gautama einen Verfechter
der empirischen Methode in Anwendung auf dem Gebiet der Philosophie oder
Religion, vorbehaltlich der Betrachter will im Buddhismus eine Religion
konstatieren.
Ethisch richtiges Handeln verkörpert für den Buddhisten eine maßgebliche
Komponente der Herangehensweise, des Edlen Achtfachen Pfades, um in den
Zustand der Erlösung, der Selbstbefreiung, zu gelangen, d.h. ethisch richtiges
oder gutes Handeln erzeugt für den Akteur, den Handelnden, einen Nutzeffekt.
Allerdings illustriert das Paradox der Selbstbefreiung die Herausforderung,
dass die Handlung, ethisch richtiges Handeln, ohne eine Absicht erfolgen muss,
ansonsten erweist sie sich als kontraproduktiv, bestärkt die Selbstbezogenheit
und dadurch die Gier. Zur gedanklichen Therapie gedeihen die vier
Brahma-Zustände, Brahmavihara: Freundlichkeit, Wohlwollen, Mitfreude und
Gleichmut, die dem Meditierenden als Fundamente dienen, helfen die drei
geistigen Grundübel der menschlichen Existenz: Gier, Hass und Ignoranz zu
überwinden, das Wollen ohne Vorsatz zu erlernen.
Anmerkungen
siehe Kapitel:
7. Erste Gespräche über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion
(1927)
aus
[1]
Die elementaren Bausteine des Lebens, nach Auffassung des Theravada
Buddhismus, versucht die vorangestellte schematische Darstellung zu
illustrieren. In anderen buddhistischen Strömungen, etwa dem Mahayana
Buddhismus, kann die Anzahl und die Zusammensetzung variieren. Dieses Faktum
offenbart die charakteristische Schwankungsbreite bei der Interpretation der
Lehren des ersten Buddha, Siddhartha Gautama, insofern die verschiedenen
Schulen bereits in grundlegenden Überlegungen eine reichhaltige Vielfalt
wiedergeben.
Der Sinngehalt der Begriffe des Buddhismus beeindruckt durch eine hochgradige
Mehrdeutigkeit. Dieses polyseme Charakteristikum der mystisch rationalen
Auseinandersetzung mit der Existenz forciert dazu die Transkriptionen des
Sanskrits oder des Palis zu nutzen, um den Lesenden keinesfalls mit
diskussionswürdigen Übersetzungen in die Verirrung zu leiten, so gesehen
handelt es sich mitnichten um eine intellektuelle Überflüssigkeit.
Der Hinduismus erkennt in jedem Dasein eine Form des Atman, wohingegen der
Buddhismus dieses Atman bestreitet, stattdessen das Anatman postuliert.
Anatman wird häufig mit „Nicht-Ich“ übersetzt, was zu Schwierigkeiten führen
muss, denn für den Buddhisten resultiert ebenso jede Anstrengung und
Bestrebung oder das Resultat jeder Anstrengung und Bestrebung, Samskara, in
Anatman. Eine Deskription könnte hiermit darlegen: Anatman meint in einer
abstrakten Form „ohne Substanz“ oder „ohne wahrhaftige Wirklichkeit“.
Die zweite Vokabel, Duhkha, bezeichnet die erste der Vier Edlen Wahrheiten des
Buddhismus: das Leiden oder die Unzufriedenheit der Kreatur. Einer groben
Vereinfachung folgend, sortiere ich Duhkha in drei Kategorien ein:
mentales und somatisches Leiden,
Kummer durch den Prozess der Veränderung, etwa dem Erkennen der
Unbeständigkeit von Zufriedenheit oder der Empfindung von Glück,
Pein aus der Erkenntnis jede Form der Existenz ist flüchtig und besitzt
keine Substanz (Anatman).
Der dritte Ausdruck, Anitya, umschreibt die Eingebung, dass alle
zusammengesetzten Objekte, so die biologischen Kreaturen, in keinster Weise
von Dauer sein können, sie entstehen, verändern sich stetig, um zuletzt zu
zerfallen.
Das Flussdiagramm versucht, das Problem der Theodizee zu veranschaulichen: unter der Prämisse des Vorhandenseins eines allmächtigen, allwissenden und unendlich gütigen Gottes entsteht die legitime Frage: Warum existiert das Böse und das Übel auf der Welt?
Ist Gott allmächtig, kann er keinesfalls allwissend und gütig zugleich sein, denn das Böse treibt sein Unwesen in der Welt. Ist Gott allwissend, kann er unter keinen Umständen allmächtig und barmherzig gleichzeitig sein, denn das Übel haust allerorten. Ist Gott grundgütig, kann er des Weiteren niemals allmächtig und allwissend zeitgleich sein, denn Kriege und Naturkatastrophen halten reichlich Ernte immerfort unter den Kreaturen des Daseins. Zusammengefasst lautet das Resümee: ein allmächtiges, allwissendes und gnädiges Gotteswesen fehlt im Diesseits.
Die Theodizee rechtfertigt – behandelt in Form dieser Vokabel erstmals von Gottfried Wilhelm Leibniz, einem Mathematiker, Logiker, Philosophen und Zeitgenossen des Mathematikers und Physikers Isaac Newton –, die Gerechtigkeit und damit das Dasein eines allmächtigen, allwissenden und grenzenlos barmherzigen Gottes, etwa dem christlichen Gott, trotz der Existenz des Bösen.
Gott erschuf die beste aller möglichen Welten, so behauptete Leibniz, indem er das Böse und das Übel permittiert, kann das Individuum die Willens- und Handlungsfreiheit vollziehen. Gott schenkt seinen Geschöpfen durch das Vorhandensein des Bösen die Möglichkeit der Selbstbestimmung.
Eine literarisch ausgreifende Darlegung der Theodizee entdeckt der interessierte Lesefreund in "Doktor Faustus" von Thomas Mann. Dortselbst entscheidet Luzifer in verschiedenartigen Menschwerdungen das Geschehen mit, doziert etwa der Theologieprofessor, mit dem mephistophelisch klingenden Namen Schleppfuß, vor seinem studentischen Auditorium: „Das Böse trug bei zur Vollkommenheit des Universums, und ohne jenes wäre dieses nicht vollkommen gewesen, darum ließ Gott es zu, denn er war vollkommen und mußte darum das Vollkommene wollen, – nicht im Sinne des vollkommen Guten, sondern im Sinne der Allseitigkeit und der wechselseitigen Existenzverstärkung.“
Seit den Überlegungen des Juristen, Mathematikers, Physikers und
Philosophen, des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, einem
Zeitgenossen Isaac Newtons, bietet es sich an, die Wahrheit in zwei
Kategorien zu klassifizieren: die Tatsachenwahrheit und die
Vernunftwahrheit, eine mögliche und eine garantierte Wahrheit.[1] (siehe
auch
Deduktion versus Induktion, Logik versus Kausalität respektive
Vernunftwahrheit versus Tatsachenwahrheit) Erstere, ebenfalls als kontingente Wahrheit bezeichnet, kann eine
herrschende Autorität allzu sehr in die Versuchung verführen, sie zu
instrumentalisieren, umzudeuten, zu verfälschen oder gar vollumfänglich zu
negieren, mithin zu zerstören. Mit dem zweiten Typus, der Vernunftwahrheit,
hat eine totalitäre Obrigkeit größere Schwierigkeiten zu überwältigen. Falls
ihr es gelänge, etwa den Satz des Pythagoras aus allen verfügbaren Quellen
zu entfernen, könnte dennoch ein schlauer Kopf, die Vermutung postulieren
und den Beweis führen, das heißt die unterdrückte Wahrheit wieder ans
Tageslicht fördern. Die Unterdrückung der Vernunftwahrheit in Gänze ist
insofern unmöglich, während die Tatsachenwahrheit immer der Gefahr
ausgesetzt sein wird, dass das Individuum ihrer nicht habhaft werden kann.
„Wir können uns durchaus vorstellen, dass die Entwicklung der neuzeitlichen
Wissenschaft von Galilei bis Einstein nicht stattgefunden hätte, wenn die
Machtvollkommenheit der katholischen Kirche absolut gewesen wäre“,
behauptete Hannah Arendt,[2]
korrespondierend galt für sie: „die Tatsachenwahrheit ist von Natur
politisch“, um daraus das Resümee zu ziehen: „Meinungsfreiheit ist eine
Farce, wenn die Information über die Tatsachen nicht garantiert ist.“[3]
Ein eindrucksvolles literarisches Beispiel entdeckt der Leser in
George Orwells Dystopie "1984". Die Mitarbeiter des
Wahrheitsministeriums beschäftigten sich damit die historischen
Tatsachenwahrheiten an die jeweilige aktuelle politische Entwicklung
anzupassen, Dokumente werden gefälscht oder vernichtet, so dass authentische
Unterlagen, zeitgeschichtliche Zeugnisse, fehlen, die Geschichtsschreibung
der politischen Willkür unterliegt, die Erinnerung und die Kultur liquidiert
ist: „Die Vergangenheit war ausradiert, und dann war sogar die Tatsache des
Radierens vergessen, die Lüge war zur Wahrheit geworden.“
[4] Zwei Beweggründe verortet Orwell in der
Manipulation der Historie. Die Autorität muss den Bürger zunächst von dem
dominierenden Gegenstand der überprüfbaren Realität, der kontingenten
Wahrheit, abtrennen, welcher sich in der Vergangenheit manifestiert,
infolgedessen fällt die Vergleichsmöglichkeit mit den gegenwärtigen
Lebensbedingungen weg, der Staatsbürger erduldet alsdann seine Situation
gehorsamer. Misslingt der Vergleich mit qualitativ anderen Verhältnissen,
hat die Autorität die Voraussetzungen geschaffen, kann sich zweitens mühelos
als unfehlbar und unangreifbar inszenieren.[5]
Empirische Wissenschaften, beispielsweise die Naturwissenschaften,
erringen Erkenntnisse durch die Beobachtung der natürlichen Gegebenheiten
oder vermöge einer definierten Fragestellung an die Natur. Letzteres, das
wohldurchdachte Experiment, erhielt, beginnend mit Galileo Galilei und seinen Fallexperimenten, Einzug in die Physik, entwickelte den
Grundstein zur modernen Experimentalphysik. Einerseits muss die
Messapparatur mit dem Gegenstand der Messung in Wechselwirkung stehen,
ansonsten misslingt ein Messergebnis unweigerlich, andererseits taucht die
Frage nach der Verfälschung oder der Echtheit des zu messenden Effektes
auf. In der Quantenmechanik, der abstrakten Betrachtung des Aufbaus der
Materie – im Gegensatz zur klassischen Physik, der makroskopischen
Betrachtungsweise –, kann die Wechselwirkung zwischen Apparatur und Objekt
der Messung prinzipiell mitnichten beliebig verringert werden, ein
Naturgesetz formuliert durch das Prinzip der Unschärfe nach Heisenberg.
Diese fundamentale Naturerscheinung etablierte, dass die Intuition des
Betrachters, resultierend aus der gewöhnlichen Alltagswelt, zur Illusion
degradiert ist. Die Essenz der quantenmechanischen Erkenntnis: die Logik
der Quantenmechanik, letztlich der Bausteine unserer Existenz, ist
unvereinbar mit der klassischen Logik.
Die zweite Auflage meines Romans: "Ladyboy:
Existenz – Balancieren zwischen den Extremen" ist als Paperback (480
Seiten) seit dem 17.02.2020 auf amazon.de erhältlich.
Der Ich-Erzähler, ein Naturwissenschaftler Mitte der Fünfziger, der
gesellschaftlichen Banalität in Mitteleuropa entwachsen und überdrüssig, der
stupiden Fokussierung auf wirtschaftlichen Erfolg und sinnentleertem Konsum,
begibt sich allein auf sein letztes großes Abenteuer nach Südostasien - dem
buddhistischen Thailand. Sehr bewusst bricht er alle Brücken kategorisch
hinter sich ab, denn um unbekannte Gestade entdecken zu können, muss der
Rückweg ausgeschlossen sein, lautet das Credo. In ausführlichen
Retrospektiven sinniert er über seine ehemalige Heimat, die Illusionen einer
für ihn gescheiterten Gesellschaft, die er mittlerweile verachtet, insoweit
sie, die schlichten Konsumenten, die Tatsachenwahrheiten der historischen
Entwicklung leugnen oder missdeuten. Der Buddhismus ermöglicht ihm einen
unerwarteten Perspektivwechsel, eine diametrale Sichtweise zur
abendländischen Kultur, einzigartig ist das Subjekt selbstverantwortlich für
sein Dasein und die Errettung aus dem Leid, ein omnipotenter Schöpfer fehlt,
eine Religion ohne Gotteswesen, dem gehuldigt werden muss. Insofern
erscheint es keineswegs verwunderlich, dass die buddhistische Gemeinschaft
ein dreigliedriges Geschlechtermodell anerkennt, etwa eine
maskulin-nach-feminine Genderidentität - Ladyboy - dem Menschenwesen
zugesteht, eine Freiheit, die in Gesellschaften mit anderen geographischen
Koordinaten sanktioniert wird, eventuell zum Todesurteil ausarten kann. Der
Wohlstand der westlichen Welt basiert auf der Freiheit der Gedanken, der
Befreiung vom Joch der Autorität, den wissenschaftlichen und technologischen
Errungenschaften von genialen Frauen und Männern, dem beharrlichen und
furchtlosen Individuum, mitnichten politischen oder gar religiösen Ideen.
Letztere zeichnen ausschließlich verantwortlich, dass immer wiederkehrende
Katastrophen den europäischen Kontinent heimsuchten. Die empirische Methode,
das wissenschaftliche Verfahren der Natur ihre Geheimnisse zu entlocken,
erschütterte spektakulär mehrfach die Welt der Denker, das Staunen und die
Faszination über die Lösungswege des Universums und das Mysterium, dass der
Mensch das Ungeheuerliche, wovon er ein Teil ist, entdecken kann. Jedoch die
Mehrheit der Bevölkerung konsumiert singulär die Resultate, ohne die
wissenschaftlichen Revolutionen, das Unermessliche, zu reflektieren. Ganz im
Gegenteil, ignorante Ideologie und naive Religiosität bestimmen vielfach den
Alltag, eine Absurdität sondergleichen. Eventuell erreicht oder übersteigt
die selbsternannte Krönung der irdischen Schöpfung augenblicklich den Zenit,
die technologische Singularität, eine mögliche Option einer neuen
dominierenden Spezies, der selbstoptimierenden Maschinenintelligenz
offenlegt.