Sonntag, 20. September 2020

Deduktion versus Induktion, Logik versus Kausalität respektive Vernunftwahrheit versus Tatsachenwahrheit

Deduktion und Induktion: verschiedene Arbeitsprozesse zur Gewinnung von Wissen.

Die zwei wissenschaftlichen Arbeitsmethoden – Deduktion und Induktion – auf der Grundlage logischen Schließens einerseits und der Anwendung des Prinzips der Kausalität andererseits zur Aufdeckung von Vernunftwahrheit und Tatsachenwahrheit.

Was heißt Wahrheit? Wahrheit ist die Bewertung einer Aussage, dass der Inhalt der Aussage mit der objektiven Realität übereinstimmt, dass die Proposition eine Faktizität spezifiziert.

Zwei grundverschiedene Methoden – die Deduktion und die Induktion – gestalten die intellektuellen Denkmuster zur wissenschaftlichen Wahrheitsfindung. Die Deduktion setzt auf ein existierendes Axiomensystem oder eine Theorie auf. Beispielsweise formen die fünf Postulate und sechs Axiome des Euklids eine theoretische Basis zur gleichnamigen Geometrie aufgrund dessen Behauptungen wie der Satz des Pythagoras oder der Satz des Thales unter Zuhilfenahme der Logik (Aussagenlogik) bewiesen werden können. Die Beweise garantieren wahre Behauptungen, die Theoreme, sie repräsentieren ortsunabhängige und zeitunabhängige, mithin universale Erkenntnisse, die jeder mathematisch Interessierte unabhängig von Ort und Zeit nachvollziehen kann. Derartige Wahrheiten bezeichnen wir seit der Namensfindung durch Gottfried Wilhelm Leibniz: Vernunftwahrheit.

Demgegenüber beginnt der Induktionsprozess für den Wissenschaftler, insbesondere den Naturwissenschaftler, mit der gezielten Anhäufung von Beobachtungs- oder Messdaten, welcher er einer sorgfältigen Datenanalyse unterziehen muss, die objektiv oder vorurteilsfrei erfolgen sollte. Bereits daselbst entfaltet sich der erste ernsthafte Konflikt, denn eine vollkommen vorurteilsfreie Herangehensweise verhindert die Bildung einer Hypothese, nach der Sichtung des Datenmaterials eine Vermutung zu erwägen, von beobachteten Einzelereignissen auf eine allgemeine Gesetzmäßigkeit zu induzieren. Das Prinzip, das bei der Auswertung der Daten zur Inanspruchnahme gelangt: das Prinzip der Kausalität. Der Analyst qualifiziert die Ereignisse nach Ursachen und Wirkung, versucht Ursachen mit Wirkungen eindeutig zu verknüpfen. Ist auch diese anspruchsvolle Hürde bewältigt, verbleibt das prinzipielle Problem der Induktion.

Mittels der Methode der Induktion extrapoliert der Forscher aus unumstrittenen Begebenheiten in der Vergangenheit, Messdaten, und prognostiziert Erwartungen, die Hypothese, in die Zukunft. Welche Rechtfertigung besitzt er dafür?

Die Naturphänomene ändern sich keinesfalls sprunghaft, lautet die klassische Entgegnung. Offenbart das Experiment oder die Observation unzweifelhaft einen kausalen Zusammenhang in der Vergangenheit, so setzt sich diese Verbindung in der Zukunft fort. Welche Rechtfertigung markiert die Stetigkeit der Natur?

Dass die Naturerscheinungen stetig verlaufen, kann der Naturwissenschaftler ausschließlich aus der Analyse der Vergangenheit gewinnen, darauffolgend verweilt alleinig die Möglichkeit die Erhaltung in der Zukunft durch Extrapolation zu vermuten, also letztlich ebenfalls durch Induktion.

Zusammengefasst zeigt sich das Problem der Induktion folgendermaßen: Zuallererst erschließt ein Wissenschaftler eine neuartige Hypothese vermöge Induktion. Sollte er diese zweitens vermittels der Stetigkeit der natürlichen Begebenheiten bekräftigen wollen, so wählt eine Verteidigung, die drittens automatisch die Beständigkeit gleichermaßen durch Induktion begründet, er unterliegt einem Zirkelschluss.[1] 

Anmerkungen

  1. siehe die Kapitel 1 und 2 aus [10]

Mittwoch, 2. September 2020

Zunehmende Diskrepanz zwischen Wissenschaft und Religion in der westlichen Weltanschauung?


Brahmavihara: Die gezielte, meditative Auseinandersetzung mit Freundlichkeit, Wohlwollen, Mitfreude und Gleichmut, den vier Brahma-Zuständen, entfacht nach Ansicht der Buddhisten die Beherrschung der Sinne.

In der westlichen Hemisphäre beherrscht die Subjekte eine dualistische oder kartesische Betrachtungsweise des Daseins: Logik, Mathematik und die empirischen Disziplinen von den Naturwissenschaften bis zu den Sozialwissenschaften, auf der einen Seite, bestimmen die objektive Wirklichkeit, andererseits konstituieren Religionen, ersatzweise ideologischer Dogmatismus den Sollzustand menschlichen Zusammenlebens, einer subjektiven Wirklichkeit oder Ethik. Die objektive Urteilskraft, die Vernunft, entscheidet über eine richtige oder falsche Bewertung einer Erkenntnis, die subjektive demgegenüber kategorisiert in gut oder böse. Diese strenge Zweiteilung des Daseins in eine objektive und subjektive Wahrheit offenbart insbesondere durch den technologischen Fortschritt einen zunehmenden Konflikt zwischen den beiden Ansprüchen auf Wahrheit. Demgemäß prognostizierte der Physiker W. Pauli in einer Diskussion mit seinen beiden Kollegen, P. Dirac und W. Heisenberg, bereits im Jahr 1927: „[…] Gleichnisse und Bilder der bisherigen Religion auch für das einfache Volk keine Überzeugungskraft mehr besitzen, dann wird, so fürchte ich, auch die bisherige Ethik in kürzester Frist zusammenbrechen, und es werden Dinge geschehen von einer Schrecklichkeit, von der wir uns jetzt noch gar keine Vorstellung machen können.“[1] 

Das ostasiatische Weltverständnis kennt derlei strikte Trennung in Objektivität und Subjektivität mitnichten. So schreibt der Philosoph und Kulturwissenschaftler V. Zotz über den Erlösungsweg im Buddhismus: „Nicht Glaube oder Hoffnung entscheiden auf dem Weg zur Erlösung, sondern allein das richtige Vorgehen.[…] Ebenso führen die geeigneten Methoden zur Erlösung, wobei der Glaube daran untergeordnete Bedeutung hat.“[2] Die Korrektheit der Methode beweist die Praxis der Kontemplation, die Meditation, insofern repräsentiert Buddha Siddhartha Gautama einen Verfechter der empirischen Methode in Anwendung auf dem Gebiet der Philosophie oder Religion, vorbehaltlich der Betrachter will im Buddhismus eine Religion konstatieren.

Ethisch richtiges Handeln verkörpert für den Buddhisten eine maßgebliche Komponente der Herangehensweise, des Edlen Achtfachen Pfades, um in den Zustand der Erlösung, der Selbstbefreiung, zu gelangen, d.h. ethisch richtiges oder gutes Handeln erzeugt für den Akteur, den Handelnden, einen Nutzeffekt. Allerdings illustriert das Paradox der Selbstbefreiung die Herausforderung, dass die Handlung, ethisch richtiges Handeln, ohne eine Absicht erfolgen muss, ansonsten erweist sie sich als kontraproduktiv, bestärkt die Selbstbezogenheit und dadurch die Gier. Zur gedanklichen Therapie gedeihen die vier Brahma-Zustände, Brahmavihara: Freundlichkeit, Wohlwollen, Mitfreude und Gleichmut, die dem Meditierenden als Fundamente dienen, helfen die drei geistigen Grundübel der menschlichen Existenz: Gier, Hass und Ignoranz zu überwinden, das Wollen ohne Vorsatz zu erlernen.

Anmerkungen

  1. siehe Kapitel: 7. Erste Gespräche über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion (1927) aus [1]

  2. siehe Kapitel: Der Weg zur Erlösung aus [4]