Was heißt Wahrheit? Wahrheit ist die Bewertung einer Aussage, dass der Inhalt der Aussage mit der objektiven Realität übereinstimmt, dass die Proposition eine Faktizität spezifiziert.
Zwei grundverschiedene Methoden – die Deduktion und die Induktion – gestalten die intellektuellen Denkmuster zur wissenschaftlichen Wahrheitsfindung. Die Deduktion setzt auf ein existierendes Axiomensystem oder eine Theorie auf. Beispielsweise formen die fünf Postulate und sechs Axiome des Euklids eine theoretische Basis zur gleichnamigen Geometrie aufgrund dessen Behauptungen wie der Satz des Pythagoras oder der Satz des Thales unter Zuhilfenahme der Logik (Aussagenlogik) bewiesen werden können. Die Beweise garantieren wahre Behauptungen, die Theoreme, sie repräsentieren ortsunabhängige und zeitunabhängige, mithin universale Erkenntnisse, die jeder mathematisch Interessierte unabhängig von Ort und Zeit nachvollziehen kann. Derartige Wahrheiten bezeichnen wir seit der Namensfindung durch Gottfried Wilhelm Leibniz: Vernunftwahrheit.
Demgegenüber beginnt der Induktionsprozess für den Wissenschaftler, insbesondere den Naturwissenschaftler, mit der gezielten Anhäufung von Beobachtungs- oder Messdaten, welcher er einer sorgfältigen Datenanalyse unterziehen muss, die objektiv oder vorurteilsfrei erfolgen sollte. Bereits daselbst entfaltet sich der erste ernsthafte Konflikt, denn eine vollkommen vorurteilsfreie Herangehensweise verhindert die Bildung einer Hypothese, nach der Sichtung des Datenmaterials eine Vermutung zu erwägen, von beobachteten Einzelereignissen auf eine allgemeine Gesetzmäßigkeit zu induzieren. Das Prinzip, das bei der Auswertung der Daten zur Inanspruchnahme gelangt: das Prinzip der Kausalität. Der Analyst qualifiziert die Ereignisse nach Ursachen und Wirkung, versucht Ursachen mit Wirkungen eindeutig zu verknüpfen. Ist auch diese anspruchsvolle Hürde bewältigt, verbleibt das prinzipielle Problem der Induktion.
Mittels der Methode der Induktion extrapoliert der Forscher aus unumstrittenen Begebenheiten in der Vergangenheit, Messdaten, und prognostiziert Erwartungen, die Hypothese, in die Zukunft. Welche Rechtfertigung besitzt er dafür?
Die Naturphänomene ändern sich keinesfalls sprunghaft, lautet die klassische Entgegnung. Offenbart das Experiment oder die Observation unzweifelhaft einen kausalen Zusammenhang in der Vergangenheit, so setzt sich diese Verbindung in der Zukunft fort. Welche Rechtfertigung markiert die Stetigkeit der Natur?
Dass die Naturerscheinungen stetig verlaufen, kann der Naturwissenschaftler ausschließlich aus der Analyse der Vergangenheit gewinnen, darauffolgend verweilt alleinig die Möglichkeit die Erhaltung in der Zukunft durch Extrapolation zu vermuten, also letztlich ebenfalls durch Induktion.
Zusammengefasst zeigt sich das Problem der Induktion folgendermaßen: Zuallererst erschließt ein Wissenschaftler eine neuartige Hypothese vermöge Induktion. Sollte er diese zweitens vermittels der Stetigkeit der natürlichen Begebenheiten bekräftigen wollen, so wählt eine Verteidigung, die drittens automatisch die Beständigkeit gleichermaßen durch Induktion begründet, er unterliegt einem Zirkelschluss.[1]
Anmerkungen
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siehe die Kapitel 1 und 2 aus [10]